Überfahrt nach Porto Santo

Der ‚Heilige Hafen’ unter den Atlantischen Inseln verdankt seinen Namen den frühen Seefahrern aus der Anfangszeit der ‚großen Entdeckungen’. Es war im Jahr 1419, da jagte ein heftiger Sturm eine portugiesische Karavelle von der afrikanischen Küste hinweg und hinaus auf den brausenden Atlantik. Als die Vom-Winde-Verwehten in ihrer Verzweiflung überraschend Land erblickten, fielen sie auf die Knie und lobten den Herrn. Das Eiland kam eher klein daher, war jedoch mit einer großzügigen Ankerbucht gesegnet, und wurde von den Geretteten kurzerhand ‚Heiligen Hafen’ getauft.

Durch diese Namensgebung sollte die Welt für immer ihr seefahrendes Schicksal in Erinnerung halten. Doch jede Zeit produziert ihre eigenen großen und kleinen Geister. Jetzt verzaubert eine neue Bezeichnung die Porto Santanas, die ihre Insel Dourada, die Goldene, nennen. Die kleine Nachbarinsel von Madeira lebt vom Tourismus und der sieben Kilometer lange, goldene Strand ist ihr Markenzeichen.

So dramatisch wie es den Damaligen erging, verlief unser Atlantiktörn übrigens nicht. Im Gegenteil, die Überfahrt war spannend, aber eher unaufgeregt und unsere Ankunft ausgesprochen unspektakulär. Nein, keiner fiel auf die Knie, Kalle küsste mich, nicht das Land, und überhaupt unternahmen wir auch keinerlei Anstalten, irgendwas oder -wen in Besitz zu nehmen.

Die 461 Seemeilen von Portimao schafften wir in knapp vier Tagen bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 5 Knoten. Überraschend kam nur die kabbelige See gleich zu Beginn, eben dort, wo der gesammelte Atlantik von allen Seiten in die Meeresenge, Richtung Mittelmeer, drängt. Wir segelten die Strecke unter Vollzeug, also Genua, Groß und Besan. Der Wind kam wie angekündigt, zwischen 10 und 30 Knoten aus Nord bis Nordwest, so mussten wir weder den Bug wechseln noch reffen, kaum trimmen. Der Autopilot übernahm mit seinem eigenwilligen Knurren, das klingt, als würde man einem Teddybären auf den leeren Magen drücken, aber ohne Beanstandung das Ruder. Pigafetta machte keinerlei ungewöhnliche Geräusche, alles lief wie geschmiert!

Nur das nimmer endende Geschaukel ging uns irgendwann auf den Geist. Die gesammelte Wellenwelt hatte sich verschworen, querab zu kommen, na ja, auch mal etwas achterlich. Die 1-2 m auch mal 3-4 m Wellen hämmerten ununterbrochen gegen unsere Breitseite und  gelegentlich brach sich Wasser quer über das gesamte Schiff, was einem kleinen Baby-Tintenfisch zum Verhängnis wurde. Nur noch 50 Zentimeter weiter und er wäre im hohen Bogen über unser 4 m breites Achterdeck geflogen. Tja, dann hätte er was zu erzählen gehabt…

Hin und wieder lagen wir wie gestrandete Käfer rücklings auf den Sofas, mit den Beinen in die Höhe und fuhren Rad. Mutmaßungen kursierten, „Wie lange kann man ohne körperliche Ertüchtigung auf See ausharren, bis Muskelschwund in den Waden einsetzt?“  Wir wissen es nicht, vier Tage sind für diese Art von Prognosen noch zu kurz. Die ersten beide Tage gewöhnten wir uns ein, am dritten Tag machte sich eine innere Ruhe breit, so als könnte die Reise endlos weitergehen, doch am vierten Tag freuten wir uns sehr, als die Insel in Sicht kam.

Mein Lieblingsplatz ist im Cockpit, vom Wind geschützt, Blick nach achtern. Am Nachmittag des zweiten Tages prustete es plötzlich lautstark neben mir im Wasser. Huch?! Ich schaute auf und sah kaum 10 m entfernt eine Wasserfontäne, die steil in die Höhe schoss. Tatsächlich, ein Wal! Nach ein paar Augenblicken entfernte er sich, doch keine 50 m querab schossen nun fünf Fontänen in die Höhe. Ganz kurz tauchte ein Rücken auf, von vielleicht 5-6  m Länge. Manche Seebären munkeln, es gäbe auch liebestolle Wale, die besonders heiß auf Langkieler seien – Gott bewahre! Dieser Gruppe danke ich jedenfalls fürs Vorbeischauen und ‘Hallo’ Prusten, they really made my day!

Kalles special moment war ein nächtlicher Segler auf einem beinahe Kollisionskurs. Zwei der Nächte waren übrigens pechschwarz, wir sahen kaum die Hand vor unseren Augen. Gut, dass es Radar und AIS Empfangsgeräte gibt! Bei uns laufen alle AIS Signale (Schiffsdaten, Kurs, Peilung etc) auf der digitalen Seekarte zusammen. Dort werden der aktuelle und der kleinste noch zu erwartende Abstand zum nahenden Schiff ausgewiesen. Die großen Pötte und Berufsfischer senden ihre Daten via AIS, Segler haben jedoch oft nur ein empfangendes Gerät, wie wir.  Da in besagter Nacht der Seegang deutlich höher und unruhig ausfiel, zeigte  das Radar erst 4 Seemeilen vor der Kollision, dass ein Objekt vorhanden war. Währenddessen jagten beide Schiffe mit 6-7 Knoten mitten auf dieser Wasserwüste aufeinander zu. Aus  Vorsicht nehmen wir bei entgegenkommenden Seglern grundsätzlich an, dass es sich um einen just jetzt schlafenden Einhandsegler handelt. Kalle wich sofort, alles ging gut. In den letzten 3 Tagen (also, jenseits der Route ins Mittelmeer) trafen wir auf drei entgegenkommende Segler, vielleicht zehn Containerschiffe / Tanker und ein halbes Dutzend Fischer.

Des Weiteren haben wir unseren Schleppgenerator ausprobiert, der 5 A / Stunde bei 6 Knoten Fahrt zauberte. (Geschwindigleit minus eins.) Das ist übrigens unser umgerüsteter Windgenerator aus den Ankerphasen. Beim Einholen der 30 Meter Schleppleine sind jedoch Handschuhe und äußerste Vorsicht geboten, sonst brennen die Hände lichterloh. Wir luvten heftig an, so dass die Fahrt unter 3 kn fiel, erst dann holten wir die Leine + Prop ein.

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