Ansegeln

Wir laufen zum ersten Mal aus. Vorher stoppen wir noch schnell beim Hafenmeister, um restliche Kosten zu begleichen. Genau an dieser Stelle und mitten im allgemeinen Rummel will Kalle plötzlich unseren Super-Ableger trainieren. Schade! Zuerst ereilen uns kuriose Blicke, dann helfende Hände. Mein nonchalantes „no problema, wir üben ein Manöver aus dem Lehrbuch“, lässt bunte Fragezeichen in sonnengebräunten Gesichtern wachsen – zumal Pigafetta selbst weiß, wie es am elegantesten geht, hier und jetzt bei ablandigem Wind. Es hilft nix, wir bleiben am Ball…

Draußen setzen wir Großsegel und die Genua. Zufriedene Gesichter strahlen über das Deck, auch wenn die Crew noch reichlich unkoordiniert wirkt. Wir turnen auf dem Deck herum – und wer hält Kurs? Das übernimmt Pigafetta, auch ohne aktivierten Autopiloten. Guter Langkieler! Bei 10-12 Knoten Wind gleitet Pigafetta mit 3-4 Knoten durchs Wasser, gar nicht schlecht für ein 20-Tonnen Schiff, das nur die Hälfte der möglichen Tücher fährt. In Luv zieht ein Plastikkollege 1-2 Knoten schneller an uns vorbei – alle winken. Erst jetzt dämmert es uns, was wir an Pigafetta haben, denn das GFK-Boot schiebt bereits ordentlich Lage. Pigafetta hingegen segelt erhobenen Hauptes, wie ein Matador, der genüsslich durch seine Arena stolziert… Wir winken weiter!

Da Pigafetta zwei Vorstage besitzt, zerren wir beim Wenden hässlich an der Genua herum. Himmel noch mal, wie kriegt man die denn ordentlich durch den Zwischenraum? Die Knoten der Schoten verfangen sich ständig am zweiten Stag. Wir pusten… und schuppsen sie am Ende per Hand. Aber wer will denn auf dem Vordeck bei Beaufort 5 und plus den Schuppser spielen? Mmh, das Problem müssen wir noch dringender lösen als unseren Super-Ableger.

Auch Logge spricht immer noch nicht, das GPS verrät unsere Fahrt über Grund. Der optimistische Windanzeiger nervt. Immer wieder werfen wir Blicke auf den Verklicker hoch oben am Mast, aber dort klebt auch die Sonne, wir sehen nichts. Also müssen wir die eigenen Nasen in den Wind halten.

Manche haben uns schon für verrückt erklärt, weil wir Pigafettas Segeltauglichkeit nicht weiter geprüft hatten. Die ausgiebige Bastelei der letzten Monate verhinderte leider Tages-touren und Ausflüge. Allerdings hatten wir keinerlei Zweifel, dass Pigafetta anständig segeln würde. Die Holländer bauen in der Regel die besten Stahlschiffe, wie wir finden, und Martin Bekebrede hat als Schiffsdesigner eine prima Karriere hingelegt – und das bestimmt nicht durch Konzeptionen von Segelbooten, die nicht segeln. Anderenfalls hätte selbst ein: „Ich war jung und brauchte das Geld“ ihm wohl wenig genützt.

 

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Eine Antwort auf Ansegeln

  1. Gildas sagt:

    I wanted to spend a minute to thank you for this.

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