Pigafetta (1)

Wir schreiben das Jahr 1519. Die Welt wird weder von Börsenkrisen noch von Rettungsfonds beherrscht, sondern von Pfeffer, Ingwer, Zimt, Zucker, Muskatnuss und Gewürznelken – alles Güter, deren Marktwert sich in Gold und Silber misst.

Die Welt ist süchtig. Kein Essen mundet ohne Würze und kein Kranker hofft auf Heilung, wenn auf dem medizinischen Töpfchen die Aufschrift ‚arabicum’ fehlt. Und während Kampfer, Opium und Chinarinde Einzug in die Apotheken finden, bereichern Parfüms, Damast und Seide die Garderoben fürstlicher Damen und königlicher Konkubinen. Auch die Kirche gehört zu den Großabnehmern der exotischen  Essenzen, denn Weihrauch umnebelt die Sinne und sorgt für beste heilige Stimmung.

Seit die Römer bei ihren Fahrten und Eroberungen die Gewürze des Morgenlandes nach Europa brachten, kann das Abendland nicht mehr ohne sie. „Eine Speise gilt erst dann als richtig, wenn toll überpfeffert und krass überbeizt; selbst in Bier wirft man Ingwer, und den Wein hitzt man derart mit zerstoßenem Gewürz, bis jeder Schluck wie Schießpulver in der Kehle brennt.“ (Zweig, S. 13)

In Europa werden diese Köstlichkeiten nicht angebaut, sondern sie gedeihen weit, sehr weit entfernt:  Zwei Jahre reisen Pfeffer und Co. bis sie in die abendländischen Suppen gelangen. Geerntet auf kleinen Inseln im Pazifik wandern die Körner von den Molukken zum Malaiischen Archipel, weiter nach Indien und in den Golf von Hormus oder Aden, dann auf Kamelrücken durch sandige Wüsten nach Bagdad, Damaskus, Kairo oder bis nach Alexandria. Über diese osmanischen und arabischen Handelsrouten landen sie schließlich am Mittelmeer, wo die Flotte Venedigs für ihren  Weitertransport nach Italien und Europa sorgt. Ein Dutzend Zwischenhändler verdienen sich auf diese Weise eine goldene Nase mit Körnern, Kräutern, Kostbarkeiten – die Endverbraucher zahlen und wollen noch mehr.

Was aber, wenn es einen direkten Weg gäbe zu jenen Inseln, wo der Pfeffer wächst? Was, wenn man mit Ländern, von denen schon Marco Polo (1254 – 1324) schwärmte, in Eigenregie verhandeln könnte? Dann, ja dann wäre unvorstellbarer Reichtum zum Greifen nah.

Ganz vorne im ‚Gewürzinsel-Fieber’ steht Portugal. Nach der Eroberung Ceutas (1415, Marokko) widmet sich der junge Prinz Henrique, bekannt geworden als  ‚Heinrich der Seefahrer’ (1394 – 1460), dem Sammeln und Studieren astronomischer, nautischer und geografischer Karten, Bücher und Erkenntnisse. In seiner altehrwürdigen Festung am Kap Sagres beraten sich arabische und jüdische Gelehrte, befragt Heinrich jeden heimkehrenden Seefahrer. Der Schiffsbau wird reformiert und aus kleinen Fischerbooten wachsen seetaugliche Karavellen. Instrumente werden gesammelt, überarbeitet, weiterentwickelt

Unaufhaltsam besegelt Portugal die afrikanische Küste, neue Expeditionen werden mit dem Blutgeld aus dem afrikanischen Sklavenhandel bezahlt:

1427 werden die Azoren entdeckt, 1434 umsegelt Gil Eanes das Kap Bojador (an der nordwestlichen Küste Afrikas südlich der Kanarischen Inseln). In Heinrichs Todesjahr 1460 wird Sierra Leone, 1471 der Äquator erreicht. 1484 landete Diego Cam an der Mündung des Kongos, 1487/88 umrundet Bartolomeu Diaz die Südspitze Afrikas –  jenes „Cabo tormentoso“, das euphemistisch zum Kap der guten Hoffnung avanciert. Und schließlich, im Jahre 1497, erreicht Vasco da Gama auf dem Seeweg als erster Europäer Indien.

Damit hat Portugal Zugriff auf das, was die Welt bewegt.  Alle übrigen Königs- und Fürstentümer starren auf dieses kleine Land am südwestlichen Zipfel Europas, das quasi aus dem Nichts zur wichtigsten Seenation der Stunde Null aufsteigt – und ganz  nebenbei auch die Venezianer erblassen lässt. Alle starren??? Nein, Spanien starrt nicht mehr seit der Vertreibung der Mauren aus ihrem Land (1492), sondern stimmt im selben Jahr den Plänen des Christoph Kolumbus zu. Der Genuese, der in Portugal abblitzte, weil er zu den Schätzen Asiens gen Westen über den Atlantik segeln wollte, reist nun im Dienste des spanischen Königspaars.

Schon Heinrich der Seefahrer hatte frühzeitig und in weiser Voraussicht dem Papst die Zustimmung abgelockt, dass die eroberten Länder, Meere und Inseln entlang Afrikas Küste nur Portugal, und Portugal allein, gehören sollten. Seit den überraschenden Land- und Besitznahmen jenseits des Atlantiks, mit denen Kolumbus von sich Reden machte, und drei Päpste später, wird die Welt ganz offiziell gespalten. Mit dem Vertrag von Tordesillas (1494) halbiert Papst Alexander VI  die terrestrische Torte in zwei Teile: von oben bis unten, in West und Ost, in spanische und portugiesische Territorien. Damit fallen die fernen Eroberungen, die noch unentdeckten Ecken und Enden, samt der Menschen, Tiere, Pflanzen und Steine, entweder in spanische oder portugiesische Hände.

Portugal nennt Afrika, Indien und später Teile Brasiliens sein Eigen, Spanien fast die gesamte ‚Neue Welt’, Amerika. Theoretisch zumindest. Denn seit der ersten Reise des Kolumbus (1492) folgt eine Exkursion der nächsten. Nicht nur Spanien und Portugal erobern, sondern auch andere Könige wollen einen Teil der Torte für sich. So segelt  z.B. der Italiener Giovanni Caboto unter englischer Flagge für Heinrich VII nach Nordamerika. Und obwohl alle die Gewürzinseln suchen, lässt doch die riesige Landmasse, auf die sie im Westen stoßen, keine Schiffe hindurch. 1513 blickt der Spanier Vasco de Balbao von der Landenge in Panama gen Westen und sichtet ein weiteres großes Meer, das er schlicht Südsee tauft.

Im Jahre 1519 liegt eine spanische Armada mit fünf Schiffen in Sevilla. Angeführt wird sie von einem Portugiesen, der seinen Matrosen lieber nicht genau sagt, wohin es geht.  „Generalkapitän Fernando de Magaglianes hatte beschlossen, eine lange Schifffahrt auf einem Meer zu unternehmen, das von wütenden Winden und furchtbaren Stürmen beherrscht wird, und nach Eilanden zu suchen, auf welchen Menschenfresser leben und Tiere hausen, denen keiner gewachsen ist, weil sie fast so groß wie ein Schiff sind.“ (Pigafetta, S.73)

Quellen:

Antonio Pigafetta: „Mit Magellan um die Erde. Ein Augenzeugenbericht der ersten Weltumsegelung“, Edition Erdmann, marixverlag GmbH, Wiesbaden 2009

Stefan Zweig: „Magellan. Der Mann und seine Tat“, Fischer Verlag, F.a.M. 1953

GEO Epoche: „Das Zeitalter der Entdecker“, Heft 24, Hamburg 2006

 

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2 Antworten auf Pigafetta (1)

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